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EDITORIAL

aus Heft Nr. 5/2000


Rasantes Tempo bei Foto: Elektronik gegen Chemie

Die in der letzten Zeit rasant weiterentwickelte Technologie für Digital-Kameras ermöglicht Bilder in einer Qualität die jener von Kleinbild-Foto kaum noch nachsteht. Der wesentlichste Unterschied ist noch, dass es für Kleinbild Kameras gibt, die in dieser Kategorie bei der Digitalfotografie noch unerschwinglich sind.

Nur um zu illustrieren, was bereits mit den heutigen CCD-Bildwandlern noch an Bildqualität herauszuholen wäre: Im Digitalfoto-Bereich bewegen wir uns hauptsächlich noch auf dem Niveau der Kompaktkamera mit Film. Für Systemkameras für die breite Masse - an der sich die Industrie ja hauptsächlich orientieren muss - ist die Elektronik vorläufig noch zu teuer. In Wirklichkeit - wenn es einmal so richtig losgegangen ist - müssten ja Digitalkameras billiger sein als Kameras für Film. Und sie können ganz erheblich kleiner sein. Kleiner noch als die legendäre "Spionagekamera" Minox.

Inzwischen gibt es von Nikon und Canon - wenigstens einigermaßen - erschwingliche Systemkameras, zu denen die von Kleinbild gewohnten Wechselobjektive passen. Die Kamerakörper, auf die diese Modelle aufgebaut sind, sind nicht die Top-Linie, sondern Mittelfeld. Die Ergebnisse damit rauben einem schon den Atem und stellen die ernsthafte Frage nach dem Sinn der chemischen Fotografie. Dieser ist sehr wohl noch für einige Zeit gegeben.

Auf jeden Fall für die Urlaubsknipser, die den überwältigend größten Anteil aller jener ausmachen, die Fotomaterial kaufen, Bilder ausarbeiten lassen, Bilder machen. Wir, die uns das doch etwas näher interessiert und die wir noch bis vor kurzem vielleicht sogar selbst das Badezimmer mit Freude in ein temporäres Fotolabor umgebaut hatten und heute alle Register der Bildbearbeitung am Computer ziehen, sind eine vergleichsweise kleine Gruppe.

Es ist rasend schnell gegangen. Schneller als erwartet. Ich jedenfalls hätte dieses Tempo nicht erwartet. Es ist rund drei Jahre her. Damals hatten wir als große Sensation eine Canon EOS DCS-1 mit Digital-Rückteil.

Beeindruckendes Ergebnis des Tests damals: Ein Tonwert-Umfang, der mit chemischem Film schlicht nicht zu bewältigen gewesen wäre. Also im selben Bild stark beleuchtete und wenig beleuchtete Partien. Bei konventionellem Film muss man auf die Durchzeichnung entweder in dem einen oder in dem anderen Teil des Fotos verzichten. Die EOS DCS-1 belichtete einen dunklen Hauseingang mit Details und die sonnenhelle Straße durch das Tor bot ebenfalls noch Zeichnung. Das weniger lustige an dieser Kamera war ihr Preis. Für einen Profi erschwinglich, für den Privaten aber jenseits von gut und böse. Das gute Stück hatte mehr als eine halbe Million Schilling gekostet. Auch aus diesem Grund war "praktiker" übrigens eine der ganz wenigen Fachzeitschriften europaweit, die dieses Modell - damals extra aus Amsterdam eingeflogen - für einen Test zur Verfügung hatten. Das war im Jahr 1997.

Bereits etwas weitere Anwender-Kreise wird da schon die Canon EOS-D30 erschließen, die in dem vorliegenden Heft vorgestellt wird und die sich ebenfalls in dieses weltweit bedeutendste SLR-System "EOS" einfügt.

Erschütternd ist übrigens im Zusammenhang mit Digitalfoto sind große Teile des Fotohandels. Dieser scheint so lange abzuwarten, bis sich wirklich jeder daran gewöhnt hat, Fotopapier selbst einzukaufen und seine digitalen Fotos selbst auszudrucken. Es werden zwar in rauen Mengen Digitalkameras verkauft. Wenn man aber keine eigene Ausrüstung hat, kann man sich die Bilder nur am Display der Kamera anschauen. Nur wenige Fotohändler bieten einen einigermaßen dieser Technologie entsprechenden Ausarbeitungsservice an. Einige haben sich einen Tintenstrahldrucker angeschafft und machen das "auch".

Andere wieder arbeiten zwar in großartiger Qualität aus, stellen aber dafür Barrieren auf, die für die meisten Anwender inakzeptabel sind. Beispielsweise, dass die Bilder in einer bestimmten Bildgröße und einem bestimmten Format angeliefert werden. Weder in gängigen Größen, noch im gängigen Format, wie es aus einer Kamera kommt. Wenn jemand schon an seinem Computer sitzt und das Bild erst für die Ausarbeitung verändern und konvertieren muss, dann druckt er es doch gleich selbst aus. Die Qualität der für den Privaten erschwinglichen Drucker ist möglicherweise sogar besser, als das, was ihm der Profi anzubieten hat.

Freilich ist es ein urgewaltiger Arbeitsaufwand mit den Digitalbildern. Jeder kommt mit einem anderen Datenträger daher, kaum einer kennt sich damit aus, die Bilder für die Ausarbeitung zu kennzeichnen. Und erst die Warterei, bis ein Bild aus dem Drucker kommt. Da sind die konventionellen Mini-Labs mit einem Durchsatz von hunderten von Bildern pro Stunde von ganz anderem Kaliber.

Von einem Kaliber, das dem Fotohändler natürlich eine ganz andere Qualität von Freude bereitet. Ganz klar, die viele Arbeit muss irgendwie bezahlt werden, ergo kostet die Ausarbeitung eines Digitalfotos gleich ein Vielfaches.

Ganz klar aber auch, dass sich der begeisterte Digital-Fotograf spätestens nach der dritten vollfotografierten Speicherkarte auf die Suche nach Selbsthilfe macht. Billiger, schneller und womöglich sogar besser. Die eigene Zeit kostet ja nichts. Außer man geht gerade selbst seinem Beruf nach.

Bis zum nächsten Mal,

Ihr

Felix Wessely


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